November Reise

November Reise

Dienstag, November 7, 2023

2023

Jeden Morgen lasse ich mich überraschen, wie der Tag so anfängt, mit beherzten Schwung öffne ich die dunklen Vorhänge und fast immer bin ich erstmal vom Tag geblendet. 

Die Linde vor meinem Haus in Mainz

Die erste Analyse war: leicht grau mit viel Licht dazwischen und endlich ist der Herbst in meiner Linde vor dem Haus angekommen. Die Luft war mild,es war herrlich ruhig auf der Straße, es war ein Feiertag. Dafür läuteten die Glocken der verschiedenen Kirchen um mich herum. Da war wieder das wohlige Gefühl des Glockenklangs. Der mich auf die Autobahn begleitete in die Hauptstadt. Wie in der Linde sind all die Wälder in ihr orange-goldenes Kleid geschlüpft. Links und rechts von der Autobahn leuchtete die gemütlichkeit des Jahresende. In den Folgenden Tagen gab es in B. einige Punkte zu erledigen. Erstens einen neuen Drucker zu besorgen, einzurichten und zu erklären, dann noch diverse organisatorische Kleinigkeiten. Alles ging einfach flott von der Hand. Einer der wichtigsten Punkte war Ur-Omma aus der Werkstatt nach einem halben Jahr abzuholen.

Ein sonntäglicher Spatziergang durch den Park von Glienicke
Der Blick auf die Havel
Die Glienicker Brücke (Bridge of Spies)

Das gestaltete sich noch etwas mühselig, denn auf den letzten Metern war doch noch ein Zacken aus.. gebrochen. Ja, Ur-Omma ist ein Portrait mit Geschichte. Ihr Vater war der erste Wein-Großhändler in Hameln. Mit ihrer Schwester Magda  wuchs sie als gutbürgerliche Tochter auf. Heiratete eine Marine-Ingenieur aus den besten Hamburger Familien. Dieser Ingenieur entwickelte schon vor dem WW1 mit U-Booten für die Kaiserliche Marine. Einem dieser Modelle begegnete ich in Kansas City im WW1 Memorial Museum.

Das U-Boot der Kaiserlichen Marine im WW1

Dieses Portrait und weitere der Familie entstanden in unserem “Gartenhaus”, in dem mein Ur-Ur-Großvater dem Maler Domczak (oder so ähnlich) ein Atelier eingerichtet hatte. Dieses “Gartenhaus” war eigentlich so groß wie ein Einfamilienhaus. Ihre Schwester hat selbst in Weimar Kunst studiert und wohl auch eine engere Beziehung zu diesem Maler gehabt. Der dann wohl spurlos verschwunden ist. Als ich diesem Portrait meiner Ur-Omma zum ersten Mal begegnete, hing es schon für Jahre Ramen los an der Wand und hatte eine klaffende Wunde der Leinwand. Es war nicht das einzige Werk bei uns zu hause das so aussah und mir wurde erzählt das am Ende von WW2 die “Amis” mit Bajonetten durch die Häuser zogen und die Gemälde durch stießen um zu sehen ob die Werke nicht einen doppelt Leinwand hatten, zwischen denen Wertsachen versteckt waren. Mein Künstler Großvater, aus der mütterlichen Seite, hatte dann dieses Werk versucht wiederherzustellen. Jahre später fand ich auf unserem Dachboden den eigentlichen Bilderrahmen für dieses Werk. Mit dem Rahmen wandert dieses Portrait dann durch meine verschiedenen Wohnungen von Neukölln über die Mainzer Neustadt in die Mainzer Altstadt. Nur in der Neuköllner Zeit war mir das Werk von der Wand gefallen und der Rahmen war ruiniert. Bis ich dann eines Nachts an einem Rahmenladen in Berlin in der Nähe vom Wittenbergplatz vorbeilief und den Rahmen genau in der richtigen Größe entdeckte. Zu meinem Pech lief ich Jahre lang immer nachts am Schaufenster vorbei. Im Frühjahr nahm ich das Werk im Auto mit und brachte es dort hin. Im Laden waren sie begeistert von dem Werk und der Dublette des Rahmens. Die Chefin sagte, dass sie den “Cut” reparieren und das Werk auch auffrischen kann. Also war es eine beschlossene Sache. Nun endlich kam ich wieder in die Hauptstadt und konnte das Werk abholen. Auf dem Weg dorthin bin ich noch einmal kreuz und queer durch Berlin gedüst den ich wollte noch ein paar Besorgungen machen.

Die Siegessäule mit der Goldelse und die Straße des 17. Juni

Vorher meinte meine Tante, “Pass auf!" " Die Stadt ist wegen der Demos gesperrt!” Nicht davon war zu sehen oder zuhören und so konnte ich noch den 17. Juni entlang fahren und die Herbstsonne im Tiergarten sehen und die Siegessäule in all ihrer Pracht umrunden und das Werk final abholen, denn beim ersten Versuch ein paar Tage zuvor waren ein paar Teile des Rahmens abgefallen und mussten wieder fixiert werden.

Die Ur-Omma

Mit all den Haken an der Todo Liste konnte ich weiter fahren gen Norden. Zu einem besonderen Ort in Mecklenburg-Vorpommern, dem “Gutshaus Thurow”. Dieses Haus kannte ich aus meinen nachmittäglichen Schichten, denn über Jahre begleitete ein Kamerateam die Herren des Hauses beim Wiederaufbau von der “Glanz und Gloria” dieses Gutshauses.

Die Nächte vor meiner Abfahrt gen Norden habe ich diese wunderschöne Mini-Serie “All das Licht, das wir nicht sehen” auf Netflix gesehen. Das Clair de Lune ist das Tagende Lied dieser Geschichte und es begleitete mich in den Norden. Durch die sanften Hügellandschaften bis nach Thurow.

Mit einem Abstecher in die Stadt Güstrow. In der eine Uralt Freundin zur Zeit lebt. Sie sagte nur in einer der letzten Nachrichten, dass sie in einem “Laden” arbeitet und leider keine Zeit hat mich zu diesem Zeitpunkt zu treffen. Also machte ich mich auf den Weg, den “Laden” zu finden und sie zu überraschen. Ähnlich wie in Galesburg hatte ich Zeit. In Güstrow ging ich nur ganz langsam an den Geschäften vorbei und wieder zurück, in denen ich mir vorstellen konnte, dass die gute B. denn arbeiten würde. Es war so windig kalt, dass nach kürzester Zeit meine Hände nur noch kaltes Händchen waren. Nachdem ich die ersten zwei Drittel der Innenstadt gesehen hatte, ging ich in eine Bäckerei, um mich aufzuwärmen. 

Güstrow

Das letzte Drittel war von einer riesigen Baustelle gesperrt, um die ich erst einmal herum durfte. Kaum war ich um die Ecke gebogen und sah den Laden, dachte ich mir nur das müsste der sein und wer saß hinter der Kasse und aas gerade zu Mittag, es war B. Ein kurze herzliche Begrüßung und eine Verabredung ausmachen, in zwei Tagen. Und dann weiter. Kurz vor Thurow dachte ich, nur das Haus müsste man jetzt sehen können und auf einmal war da das Dach zu sehen. Ich kam mir ein wenig vor wie in einer dieser britischen Serien, wenn sie "The Family" besuchen fahren. 

Das Gutshaus Thurow vom Park aus gesehen

Dieses Gutshaus ist so unglaublich liebevoll in so vielen Details wiederhergestellt worden, ohne ein Museum zu sein und kein kitschiges Klischee seiner selbst, es ist so, als ob es schon immer so war. Dabei haben sich die beiden Herren des Hauses alles neu überlegt. Wenn ich jetzt das Molly Brown House vergleiche, ist es ein Museum, auch wenn authentisch doch etwas fehlt, es ist das Leben. Das Gutshaus Thurow ist voll von Leben und daher einfach ein Prachtstück.

https://www.gutshaus-thurow.de/

Der Flur zu den Zimmern
Der Blick in den Park

Es geht weiter!

Mitten in der Nacht war ich auf einmal wach, blickte aus Maries Fenster direkt in den absolut schwarzen Himmel auf das Sternbild des Orion, einfach schön.

Am Morgen stand dieser wunderbare Frühstückskorb vor meiner Tür. Vor dem Sofa richtete ich das Frühstück an und genoss den Blick in den Park aus Maries Fenster in die herbstliche, leicht stürmische Szenerie.

Der opulente Frühstückskorb

Gefühlt nach Stunden entschied ich mich dann vor die Tür zu gehen und nach Schwerin zu fahren. 

Das Wasser bei Schwerin

Sanft strichen die Sonnenstrahlen durch die sanften Hügel der Sternberger Seenplatte. So als wollten die Strahlen die Wellen der Landschaft in Bewegung versetzen zu wollen. Die Äcker strahlten leuchtend grün von den frischen Pflanzen der Wintersaat. Die Grenzen der weiten Sicht waren die kleinen Haine mit ihren herbstlichen strahlenden Farben. Alles war so intensiv im Sonnenlicht.

Herbstliche Sonne in Mecklenburg-Vorpommern

In der Nähe vom Landtag fand ich einen Parkplatz und von dort lief ich erst durch den Burggraben vom Schweriner Schloss, dann kreuz und quer durch die Innenstadt. 

Das Schloss von Schwerin
Aussicht mit Rahmen
Was der Mensch so meint was eine Grotte ist!

Auf einer Straße, die in Richtung einer Einkaufspassage ging, kamen mir Mengen von Schülern und Schülerinnen entgegen. Erst dachte ich, es ist wohl Pause oder so, als ich dann bemerkte, dass einige große Schilder trugen und auf dem Weg zum Landtag oder Regierungssitze waren. Auf den Schildern stand was mit “Lehrernotstand” und so. 

Ich ging weiter in die Passage, um mich vom kalten Wind etwas auf zu tauen. Weiter durch die Stadt, die für einen Dienstag und das im November sehr lebendig und gut besucht ist. Das war eine weitere positive Überraschung, genau so die Vielfältigkeit und Menge der Geschäfte.

Anfang des Jahres hatte ich mir einen Grundsatz für Reisen vorgenommen: "No Churches”. Den musste ich heute leider brechen, denn diese gotischen Backstein-Kathedralen sind so mächtig, dass ich nicht umhin konnte, mal zu sehen, wie sie innen aussehen. Die erste hatte mehrere Überraschungen. Die eine war das fast Ortodox anmutenden Kreuz über dem Altar und ein weiteres der mix der Stilrichtungen in den Kirchenfenstern, das war wie ein Ritt durch die 1500 jährige Kunstgeschichte in einem Raum. 

Apropos Kunst: An vielen Geschäften sind originelle Sprüche geschrieben.

Auf dem Weg zum Auto lautete das Schloss noch einmal besonders intensiv auf. Als ob die Sonne dankeschön sagen wollte, dass ich da war.

Das Schloss von Schwerin

Nun ging es nach Wißmar. Auf der Fahrt merkte ich, dass ich seit dem opulenten Frühstück noch nichts weiteres gegessen hatte. Also war ein Punkt gesetzt für die Stadt am Meer. Wenn dort was Warmes essen, dann muss es Fisch sein. Dazu dann später mehr. Ich fand einen perfekten Parkplatz fast direkt in der Altstadt und ich konnte einfach loslaufen. In Wißmar ist alles etwas kompakter als in der großen Schwester in Schwerin, und doch reizvoll. Auf dem Marktplatz war eine Art Wochenmarkt. Das eine drittel bestand aus Handtaschen Ständen, das zweite drittel waren wirklich echte Wochenmarkthändler für Obst und Gemüse und Frischen Fisch und Fleisch, das letzte drittel waren Imbissbuden mit einer besonderheit es gab mindesten fünf verschiedenen Stande mit Thüringer Rostbratwurst im Gegensatz dazu nur ein Stand mit Fischbrötchen. 

Der Markt von Wißmar

Mein Gang endete bei St. Georgen, eine weitere Überraschung, wie schön so ein Sakralbau aussehen kann, wenn alles Heilige entfernt wurde. Mit dem Aufzug ging es hinauf auf den Turm. Oben angekommen, bot sich mir eine wunderschöne Aussicht über die Stadt und den Hafen bei dem Einsetzen des Sonnenuntergangs. Dabei fiel mir ein, dass ich ja in der letzten Reise immer in die Rooftop Bars gegangen bin um das zu sehen, ehrlich gesagt das fehlte da gerade. Apropos Sonnenuntergang, es fehlte ja noch das Fischgericht. In der Nähe vom Hafen sollten verschiedene Restaurants sein, dort lief ich hin. 

St. Georgen
St. Georgen
Blick über Wißmar

Auf dem Weg dann stand ich auf einmal vor diesem legendären Tor. Einmal legendär deshalb, weil dort niemals ein Polizeiwagen durchpassen würde und zweitens, wie auf dem Fußboden davor vermerkt ist, Nosferatu 1927 dort gedreht wurde.

Eine legendäre Toreinfahrt

Das erste, das ich sah, war wohl dauerhaft geschlossen, das zweite wohl sicher sehr gut, nur wäre ich  der einzige Gast gewesen und optischer Charme war auch eher “ach lass mal”, das dritte hatte wohl andere Öffnungszeiten als auf der Tafel stand. Also ging ich zum Platzhirschen, der sich ein neues Gebäude hingesetzt hatte und eine Mischung zwischen Theke für frischen Fisch und Restaurant war, innen sollte es wohl nach Fischkutter aussehen. Die Auflagen vom Gesundheitsamt haben wohl nichts mit einem gemütlichen Gastroerlebnis zu tun. Dafür war mein Fisch einfach großartig und auch die Bratkartoffeln. Darauf holte ich mir für den späteren Abend dann noch ein Susi Sortiment, denn Dienstag ist dort Sushi Tag und ein Bismarckbrötchen. 

Anschließend ging es in die Nacht hinein zurück zum kuscheligen Bett an Maris Fenster.

Es geht weiter!

Nachtrag zu Schwerin: Dieses perfekte Nebeneinander von traditionellem Handel und den Ketten in den Einkaufspassagen hat bei mir Lust am Einkaufen geweckt. Also wenn jemand wieder lernen möchte, wie Einkaufen/Shopping richtig geht, dann einfach nach Schwerin fahren und diese Stadt mit all ihren Möglichkeiten erleben.

Nach dem Frühstück ging es gen Ostsee in den Ort Rerik. Der Ort war aus zwei Gründen auf meiner Liste: Erstens, um zu sehen, wie dieser sich seit 1995 verändert hat und zweitens, was bis jetzt aus der Halbinsel Wustrow geworden ist. Nun ist die Halbinsel immer noch ein Sperrgebiet und in einem extrem traurigen Zustand. Der Ort selbst ist weiter mit Ferienhäusern und Wohnungen gewachsen, fast wie überall mal gelungen, mal absolut nicht. Ich war im eigentlichen ja wegen dem Meer hier.

Die Gebäude von der Halbinsel Warnow

Als ich so am Stand wandelte, fiel mir ein, dass ich genau in einem Jahr an vier großen Meeren auf diesem Planeten war. Auf den Tag genau war ich an der Atlantikküste in Frankreich, zum Jahreswechsel war ich am Mittelmeer in Italien, im September erst an der Amerikanischen Atlantikküste und dann am Pazifik und heute an der Ostsee. Die Nordsee habe ich nur überflogen.

Schon auf dem Parkplatz merkte ich den starken Westwind, der mich erfreute, denn das fühlte sich jetzt schon einfach nach richtigem Meer an. Kaum war ich auf der Düne, sah es auch aus wie echtes Meer mit schönem Wellengang, am Horizont ein großes Schiff und das Dünengras bog sich stark im Wind. 

Nun lief ich bis zur Wasserkante und dann den Strand entlang. Später erhob sich links die Steilküste der Halbinsel Wurstow und rechts die Wellen. Zwischen all den Steinen fielen immer diese grauen Brocken auf, zuerst dachte ich, dass das eine Art Lem sei, denn es sah auch so aus, als sei es eine Schicht unter dem sandigen Teil der Insel. Ich faste es an und merkte, dass es Beton ist, mit dem die Düne geschützt werden sollte. 

Von der Wehrmacht oder der Roten Armee lagen so Betonkuben auf dem Strand, die wohl abgerutscht waren, sowie ganz viel rostige Metall-Ketten, -Stangen und -Haken, alle sahen sehr militärisch aus. Als ich dann auf einmal etwas entdeckte, das mich sofort in den WW2 versetzte. Auf einem Stück Ast oder einer Art Stange hing der Rest einer Gasmaske, das war sehr unwirklich. Irgendwie wartete ich darauf, dass gleich eine Granate neben mir einschlug. Passiert nicht. 

Mir begegnete eine Mutter mit ihrer Tochter, ich fragte sie, wie weit ich denn noch kommen würde. Sie antwortet bis zu der Klippe die man sieht und danach ist es nur noch was zum Klettern, dann schweift ihr Blick an mir herunter und meint: “So können Sie da nicht klettern."  “Zum Klettern bin ich auch nicht hierhergekommen." Wenn sie wüsste, was ich mit dem Outfit alles machen könnte, dachte ich mir nur, die beiden waren im Gegensatz dazu in perfekter Plastefunktionskleidung eingekleidet. 

Ich ging bis zum Ende und kehrte dann um, nun mit Rückenwind. Gefühlt halbierte er den Weg.

Rerik

Die Zeit war etwas davon gelaufen und ich fuhr in den Herbstlichen Nachmittag hinein nach Güstrow, wo ich zu einem weiteren Spaziergang mit der guten Freundin B. und später zum Abendessen verabredet war.

Wir beide hatten uns viel zu erzählen, denn seit 1999 haben wir uns nicht mehr gesehen und fast aus den Augen verloren. So neigte sich ein wunderbarer Tag zu Ende mit einem köstlichen Kabeljau auf Risotto in der Wunderbar in Güstrow.

Es geht weiter!

Die Liebesinsel

Der November ist angekommen. Der Himmel blieb gleichmäßig grau und ein permanenter Wechsel zwischen Niesel und Regen. 

Als ich gestern zurückkam, hatte ich noch einen netten Plausch mit einem der Herren des Hauses auf der Eingangs Terrasse. Dabei stellte sich heraus, dass ich mir heute einen Ort ausgesucht hatte, den es zweimal in Mecklenburg-Vorpommern gibt: Ich hatte nur den näheren Ort gefunden. Dieser ist aber nicht das Mirow der Queen Charlotte, den ich besuchen wollte.

Die Gartenseite von Schloss Misow

Das hieß für heute längere Fahrten dorthin und zurück. Bei dem Wetter war das dann schon etwas Spezielles. Zunächst musste ich noch herausfinden, ob das Schloss Mirow überhaupt geöffnet hatte, auf der Webseite stand nur, dass ich mich anmelden sollte. Um kurz vor 9 Uhr rief ich dort an und die freundliche Dame meinte, wann ich denn dort sein wollte. Also ganz schnell mal im Kopf zusammenrechnen: Autofahrt, Frühstück, Duschen und ein bisschen Luft zum Atmen. 11 Uhr !? war meine Antwort. Sie sagte dann “Kommen Sie bitte an die Tür vom Schloss und klingeln, wir öffnen Ihnen dann." 

Hauptportal von Schloss Mirow

Dann mal schnell duschen, frühstücken und hinfahren. Die Fahrt verlängerte sich ein wenig, besonders durch das Wetter. Von den Farben war die Fahrt etwas unreal. Gegen den grauen Himmel und durch den Regen war jeder Staub und Dunst weggewaschen und das herbstliche Gelborange Farbenspiel leuchtete um so mehr, dazu flattern die gefallenen Blätter immer noch, trotz der Feuchtigkeit. Zu meinem Erstaunen sah ich auf den Feldern Unmengen an Kranichen, die immer noch hier und nicht schon längst im Süden sind. Der Winter lässt wohl auf sich warten dieses Jahr.

Am Schloss angekommen, ging ich erstmal in das andere Gebäude, in dem ein anderes Museum, Cafe und Shop untergebracht waren. Ich war natürlich erstaunt, dass sie offen waren und nix mit Klingeln. Höflich meinte die Dame hinter der Kasse, ich müsse rüber zum anderen Gebäude und dort klingeln. Also dann auf die andere Seite vom Hof und klingeln. Nach ein paar Minuten hörte ich von oben ein “Ja, bitte?” Ich habe angerufen, um das Schloss zu besichtigen. Die Dame am Fenster: "Ich komme runter, einen Moment bitte." 

Sophie Charlotte bevor sie Queen Charlotte wurd

Die Tür ging auf und ich durfte hinein, drinnen dann erstmal die Schuhsohlen in einer Bürstenmaschine reinigen, dann zur Kasse und mit dem Audioguide begann meine sehr private Tour durch das Schloss, dem Geburtsort von Queen Charlotte. Die Mecklenburger sagen immer liebevoll “unsere Sophie-Charlotte”. Die Entstehung dieses Barocken-, Rokoko-Kleinodes ist eine spannende Geschichte.

Ein Rokoko Saal in dem man gerne Feiern würde

Als Witwen Haus gebaut und keine 50 Jahre später war das Haus wieder verwaist. Dafür war eine Tochter dieser Dynastie nun die Königin von England und ihre Nichten, später dann Königinnen von Preußen und Hannover. Währenddessen geriet dieses Schloss in Vergessenheit und im letzten Jahrhundert wurde erst die Wehrmacht, dann die Rote Armee belagert. Zum Schluss war es ein sozialistisches Altenheim mit dem Namen “Feierabend”. Die Zeit hat es überdauert und in diesem Jahrtausend ist es dann rekonstruiert worden. 

Fantasievolles Stuckelement aus Biernen und Wein
Der Nordwind über einem Falschen Kamin

Das andere Haus beherbergt das “Drei Königinnen Museum”, das einmal diesen drei herausragenden Frauen gewidmet ist und dann der Geschichte von Mecklenburg-Strelitz oder wie der Alte Fritz es liebevoll nannte Mirownesien. 

Der letzte der Großherzöge hat einen besonderen Gedenkplatz auf der Liebesinsel. Sein Suizid hat wohl mit Erpressungen zu tun gehabt, weil er Beziehungen zu Frauen und Männern hatte. So endete das Haus Mecklenburg-Strelitz im Jahre 1918.

Gedenkstädte von Adolf Friedrich VI.
Adolf Friedrich VI., Großherzog von Mecklenburg-Strelitz
Gemälde von Adolf Friedrich VI., Großherzog von Mecklenburg-Strelitz

Nach vier Stunden war meine exklusive private Selbstführung durch die Schlossinsel Mirow beendet.

Was nun? Mein Schwager hatte noch gemeint, da ist das Kutschenmuseum in Sternberg, noch in Mirow auf dem Parkplatz sah ich, dass es im Winter geschlossen ist. Also suchte ich mir einen längeren Weg zurück zum Hotel aus, der mich am Park von Neustrelitz vorbei führte. Ein kurzer Gang durch den Park und weiter.

Ein Griechischer Gott am Eingang vom Park
Der Tempel am Fuße des Parks
Eine Göttin im Tempel

Der längere Weg nahm gefühlt gar kein Ende, wegen dem Wetter und weil es dann stockduster war.

In einem Landgasthaus ass ich zu Abend. Jetzt Feierabend.

Es geht zu Ende!

Das Schloss Ludwiglust

Als ob das Wetter wüsste, dass ich heute Mecklenburg-Vorpommern verlasse, strahlte der Tag auf seine schönste Herbstliche Seite, von stürmisch wolkig bis leuchtende satte Farben, für meine lange Autofahrt nach Hause. 

Der Wasserfall vor dem Schloss Ludwigslust

Zuerst ging es nach Ludwigslust, um die erste Hälfte der Renovierung dieses Prunk Schlosses zu bestaunen. Wie der eine Wärter dann bei der Verabschiedung sagte: "Wir sehen uns in drei Jahren wieder!” und meinte, dass dann das ganze Schloss zu besichtigen ist.

Blick auf den Schlossplatz

Diese erste Hälfte ist so beeindruckend wiederhergestellt und die Geschichte der einzelnen Räume auf den Tafeln erzählt, dass ich fast zurückgehen wollte, um mir den Audioguide zu holen. Im Hinterkopf hatte ich halt die sechsstündige Fahrt vor mir und dachte nur ok, in drei Jahren dann das ganze Schloss mit allem Drum und Dran.

Ein Kamin und ein Spiegel aus Meißener Porzellan.
Rekonstruierte gewebte Tapete
Rekonstruierte gewebte Tapete
Handgedruckte Papiertapeten
Handgedruckte Papiertapeten

Eine Besonderheit sei schon mal erwähnt, denn in diesem Schloss gibt es noch die Thronstühle zweier Epochen. In den meisten Schlössern, die ich besucht hatte, gab es noch nicht mal einen Thronsaal, mit der Begründung, dass es nur eine Legende sei, dass Könige und Fürsten auf Thronen residiert hätten. 

Zwei Epochen mit je einem Thron

Auf dem Weg zum Fahrzeug bin ich noch kurz durch den Park und vor das Schloss zum Wasserfall gegangen. 

Der Herbst in voller Pracht im Park vom Schloss

Von Ludwigslust bis Wolfsburg ging es über die Landstraßen durch die bewegten Nordeuschenlanden. 

Da fährst du mit einer Selbstverständlichkeit über eine große Brücke die die Elbe überquert und sofort ist da wieder die jüngste Europäische Geschichte. Die Teilung Europas und Deutschlands durch die Folgen des 2. Weltkriegs und den Gräueltaten des Nazi-Regimes, und die Auflösung dieser Teilung durch die Friedliche Revolution von 1989.

Gedenktafel an der Brücke bei Dömitz
Die Elbbrücke bei Dömitz

Solch eine Querung macht mir immer wieder deutlich, dass solche Menschenverachtende Systeme nie wieder zustande kommen sollten, egal wo auf der Welt und besonders nicht in Europa und in Deutschland. Daran sollte nicht nur am 9. und 11. November gedacht werden. Sowie die Mauern und Stacheldrahtzäune nicht zur Völkerverständigung beitragen, sondern nur zu noch mehr Ignoranz, Isolation und Ausgrenzung.

Es ging ab Wolfsburg dann auf die Autobahn. Auf einem Rastplatz in der Nähe von Kassel entdeckte dieses Kuriosum, einen Open-Air-Mini Waschsalon plus eine Packstation direkt daneben. Praktisch dachte ich mir! 

Paket abholen, waschen und Anziehen!

Zuhause erwarteten mich dann ein Stapel Postsendungen, die ich allesamt schon freudig erwartete. Besonders der Umschlag aus Japan mit zwei T-Shirts eines Künstlers, den ich auf Vero schon eine Weile folge. So wie eine besondere Überraschung, ein Geschenk meines besten Freundes, ein Buch, das die Szene in Berlin in der Zeit nach dem 9. November 1989 wieder spiegelt.

GOYAMASAKI

https://clubt.jp/75577/

Zum Abschluss der November-Reise auf dem Schillerplatz, zusammen mit vielen Tausend Narren, beginnt die fünfte Jahreszeit, am 11. November um 11.11Uhr. In vielen anderen Ländern wird an diesem Tag das Ende des 1. Weltkriegs gedacht. Bei uns ziehen dann die unbewaffneten  Fastnachtsgarden in den Uniformen der Napoleonischen Kriege auf. Damit schließt sich der Kreis über die Goldelse, meine Ur-Omma, Queen Charlotte, Königin Luise hin zum Leben im Hier und Jetzt.

Der Beginn der 5. Jahreszeit hier bei PAULS
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